Montag, 15. Dezember 2025

nie wieder... immer wieder...

Ende November konnte ich eine Woche in der Pfarrei unserer Mitbrüder in Dubrovnik verbringen. Eine der ersten Begegnungen war mit einer Frau, die mir mit erstickter Stimme erzählte, dass ihr Sohn Opfer des letzten Krieges, zu Beginn der 90er Jahre sei. Er war wohl einer der ersten, der hier ums Leben kam. Die Frau hatte sieben Jahre in Deutschland gelebt, schwärmte von diesem Land und wir konnten uns auf Deutsch unterhalten.

In den Nachrichten während dieser Tage war von den Friedensverhandlungen für die Ukraine die Rede, von dem von US-Präsident Trump vorgeschlagenen 28-Punkte-Plan, der dann in Genf und Abu Dhabi nachgebessert werden sollte.

An einem Tag organisierten mir die Mitbrüder eine Stadtführung in Dubrovniks historischem Altstadtkern mit Ivana, einer perfekt Deutsch sprechenden Frau. Sie war zehn Jahre alt bei Kriegsausbruch und flüchtete damals mit ihrer Familie nach Deutschland. Beeindruckt hörte ich dieser lebenslustig wirkenden Frau zu, wie sie neben der Stadtgeschichte auch ein wenig von ihrer persönlichen erzählte. Wie das war, als Kind in die Schule zu kommen, ohne die Sprache zu kennen, wie sie später in weiterführende Schulen wechselte und mit 18 Jahren nicht in die Heimat zurückwollte. Wobei der Flüchtlingsstatus der Familie gar nichts anderes zuließ. In Kroatien studierte sie dann Wirtschaft und wurde von einem Professor, der mitbekam, dass sie perfekt Deutsch sprach, auf die Möglichkeit des Berufes der Stadtführerin hingewiesen. Und heute arbeitet sie als eine von Dubrovniks 500 (!) haupt- und nebenberuflichen Stadtführer/inne/n. Ivana erzählte auch von einem beeindruckenden Kinofilm „260 days“, der aufgrund der Kriegserlebnisse eines Gleichaltrigen gedreht worden ist. Dieser Mann ruft trotz all des Schrecklichen, das er erleben musste, zur Versöhnung auf.

Im Internet lese ich weiter über die Friedensverhandlungen bzw. über Kriegswirren in anderen Ländern.

An einem weiteren Tag fahre ich mit den Mitbrüdern auf den Berg Srd, von dem aus man nicht nur eine phantastische Aussicht auf Dubrovnik hat, sondern wo es auch eine Festung gibt, welche für die Verteidigung der Stadt im letzten Krieg von entscheidender Bedeutung war. Die Stadtführerin Ivana bemerkte, dass die ursprüngliche Festungsanlage aus der Zeit Napoleons stammte und deswegen lange nicht so gern gesehen war, eher als Zeichen der Unterdrückung. Nachdem die Festung aber zuletzt der Stadtverteidigung gedient hatte, änderte sich die Meinung der Bevölkerung hinsichtlich der Festungsanlage. In dieser Festung gibt es ein Kriegsmuseum, in welchem Dokumente und Gegenstände aus dem Krieg der 90er-Jahre zu sehen sind. Natürlich gibt es auch eine Liste der Gefallenen.

Besonders im November wird hier der Toten des letzten Krieges gedacht und für sie gebetet.

Während ich aus Baumgärtle die Gedenktafeln für die Gefallenen und Vermissten der letzten beiden Weltkriege und auch des deutsch-französischen Krieges von 1870/71 kenne, gibt es hier Gedenksteine für die Gefallenen des Krieges zu Beginn der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Es macht beklommen.

Die Menschen hier bauten ihre Pfarrkirche sowohl nach dem zweiten Weltkrieg als auch nach dem letzten Krieg wieder auf, weil sie beide Male zerstört worden war.

Wie sehr gehen mir die zu Advent und Weihnachten gehörenden Verse des Propheten Jesaja nahe:

 

Jeder Stiefel, der dröhnend daherstampft, / jeder Mantel, der mit Blut befleckt ist, / wird verbrannt, wird ein Fraß des Feuers. Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns geschenkt. Die Herrschaft liegt auf seiner Schulter; man nennt ihn… Fürst des Friedens. Seiner Herrschaft ist groß und der Friede hat kein Ende. (Jes 9,4-6)









Sonntag, 30. November 2025

Wer ist (die) Kirche?

„Papst Leo hat vor mehreren Hunderttausend Menschen die Messe gefeiert“. Derartige Formulierungen, wie sie auch in vatikanischen Medien vorkommen, erzeugen in mir regelmäßig ein gewisses Unbehagen. Feiert da einer vor anderen oder feiern sie miteinander? De facto mag ja die Formulierung sogar bisweilen stimmen. Wenn die Mitfeiernden als Zuschauer kommen, um den/die „VIP Papst“ zu sehen. Der Feier selbst entspricht das aber nicht. Denn wir feiern miteinander Eucharistie, wenn auch mit verschiedenen Rollen und Aufgaben.

Ähnlich kribbelig werde ich innerlich, wenn ein Zelebrant zu Beginn der Messe sagt: „die Kirche lädt uns heute ein, des heiligen XY zu gedenken“. Welche Kirche lädt da wen ein? Gehören die vermeintlich Eingeladenen denn nicht auch zur Kirche? Von wem werden sie also dann eingeladen?

Oder eine Fürbitte in der Sonntagsmesse am 5. Oktober: „La Chiesa ci aiuti a crescere nella fede e nell’incontro con il Signore…” (“Die Kirche helfe uns dabei, im Glauben und in der Begegnung mit dem Herrn zu wachsen…“). Welche Kirche hilft denn jetzt da wem?

Tatsächlich berührte mich auch der zweifelsohne gut gemeinte Satz von Papst Leo beim vergangenen Jubiläum des gottgeweihten Lebens im Rahmen des Heiligen Jahres merkwürdig, als er uns in der vatikanischen Audienzhalle versammelten Ordensleuten zurief: „Die Kirche braucht euch!“ Wiederum: welche Kirche braucht da wen? Wäre es nicht richtiger zu sagen: wir brauchen einander in der Kirche? Beim letzten Beispiel könnte man jetzt noch über die nicht immer ganz unproblematische Beziehung zwischen Hierarchie und Charismen nachdenken, aber das wäre noch einmal ein eigenes Thema.

Die Kirchenvolksbewegung „Wir sind Kirche“ hat gerade ihr 30-Jahr-Jubliäum gefeiert. Und bei allem Fragwürdigen machen diese Menschen ja tatsächlich auf etwas ganz Wichtiges aufmerksam.

Interessanterweise kann gerade eine „für Kirchens“ schwierigere Situation zu neuem Bewusstsein helfen. Wenn etwa Menschen vor Ort sich nicht damit abfinden, dass „ihr Kirchbau“ vor Ort geschlossen bzw. abgerissen werden soll. Wobei dann bisweilen kreative Lösungen entstehen (vgl. etwa St. Johann Baptist in Krefeld, vor kurzem auf katholisch.de beschrieben).

Nicht umsonst ist neben Kommunion und Mission Partizipation eines der drei Schlagworte der Synodalität. Niemand soll ausgeschlossen werden und sein, alle sollen gehört werden, sich zu Wort melden können. Ich bin sehr dankbar für alles, was in den vergangenen paar Jahren da angestoßen wurde und jetzt an verschiedenen Stellen umgesetzt zu werden beginnt.

Ich selbst konzelebriere in der Eucharistiefeier mit wenigen Ausnahmen nicht mehr, obwohl ich dadurch manchmal auch Unverständnis oder Missfallen ernte. Zugegebenermaßen hat mich das Beispiel anderer dazu ermutigt, allein wäre ich vielleicht nicht auf diese Idee gekommen. Aber ich bin gerne mit anderen Getauften zusammen ein „normaler“ Mitfeiernder, wenn ein anderer Priester die Vorsteherrolle übernimmt. Wobei ich gerne „aushelfe“, wenn mich getaufte Brüder und Schwestern um den Vorsteherdienst bitten, weil es z.B. sonst bei ihnen keine Sonntagsmesse gäbe. In Rom kam das in dieser Form nicht vor und jetzt muss ich mich im deutschen Sprachraum neu orientieren. Gemeinsam mit den getauften Brüdern und Schwestern…