Donnerstag, 31. Juli 2025

Museo Manzú

Giacomo Manzú war mir von Salzburg her bekannt: er hat eines der dortigen Domportale geschaffen und auch einer seiner berühmten „Kardinäle“ ist außen am Dom zu sehen. Irgendwie hatte ich vom „Museo Giacomo Manzú“ in Ardea, unweit von Rom, erfahren und wollte gerne einmal dorthin. Da am Wochenende weniger Busse fahren, unternahm ich die Reise an einem Freitag im Juli. „An welcher Haltestelle muss ich denn aussteigen, wenn ich zum museo Manzú will?“, fragte ich den Busfahrer. „Setz dich hier vorn hin, damit ich dich nicht vergesse“, antwortete er. Bei einer Haltestelle am Ortseingang von Ardea sagte er: „hier ist es, aber von der nächsten Haltestelle aus ist es wohl näher zu Fuß“. Und dann ließ er mich direkt vor dem Museumseingang, zwischen den Haltestellen, aussteigen, weil er aufgrund des Verkehrs sowieso gerade stehen geblieben war. Nett!

Ich näherte mich dem großen weißen Gebäude und ein Herr hielt mir die Tür auf. Nanu, welch ein Empfang! Freundlich erklärte mir der Mann, es sah eigentlich egal, wo ich mit der Besichtigung begänne, es gäbe verschiedene Sektionen in den beiden Ausstellungssälen (links und rechts vom Eingang), die unabhängig voneinander angeschaut werden können.

So ging ich nach links und kam nach der Sektion „Theater“ gleich danach zur sakralen Kunst. Dort gibt es Entwürfe sowohl des Salzburger als auch eines Rotterdamer Kathedral-Tores. Auch für den römischen Petersdom hat Manzú ein Tor gemacht. Und ebenfalls im museo Manzú findet sich der ein oder andere Kardinal, neben allerhand, was an Papst Johannes XXIII. erinnert, sowohl als Plastik als auch als Bild. Papst und Künstler waren freundschaftlich verbunden.

Im anderen Saal dann verschiedene Bronzeskulpturen, mehrere davon „amanti“ genannt, eine Frau und ein Mann eng umschlungen. Oder eine Kinderfigur auf einem Stuhl sitzend, bzw. zwei Kinder (Manzús eigene) auf einer Art Leiterwagen ohne Geländer.

Ich war (und bin) beeindruckt vom Können des Künstlers. Ein Schwerpunkt seines Schaffens sind sicher die Bronzeskulpturen, aber er hat ebenso aus Ebenholz und Alabaster Figuren hergestellt. Und wie die Bilder im Museum zeigen, konnte er auch malen, und zwar in verschiedenen Techniken, da ist ein Ölbild neben einer Farbstiftzeichnung.

Ein weiterer kennzeichnender Zug seiner Kunst scheint mir zu sein, wie diese mit seinem Leben und seiner Zeit zu tun hat. Es gibt einige Bilder aus der zweiten Hälfte der 40er Jahre des vergangenen Jahrhunderts, auf denen der Gekreuzigte als Gehenkter, teilweise auch mit dem Kopf nach unten, an den Füßen aufgehängt, zu sehen ist – in aller Brutalität. Muss einen das zu dieser Zeit wundern?

Die 60er Jahre hingegen, in denen er mit seiner zweiten Frau Inge zusammenlebte, mit der zusammen er die beiden bereits erwähnten Kinder hatte, waren, wie er selbst sagt, eine glückliche Zeit für ihn. Das ist ebenfalls zu sehen.

Manches wirkt fast ein wenig verspielt. Da sind zum Beispiel zwei kleine Skulpturen „Schildkröte mit Schlange“, aber auch die „amanti“(Liebenden).

Verschiedene Büsten von mit ihm befreundeten Personen erinnern wiederum an antike römische Kunstwerke. Darunter übrigens eine Büste von Oskar Kokoschka, mit dem Manzú befreundet war und in der Salzburger Sommerakademie zusammenarbeitete. 

Wenn ich mich nicht täusche, dann war ich während rund 90 Minuten der einzige Museumsbesucher, wohingegen ich fünf Angestellte, drei Männer und zwei Frauen zählte. Das italienische Kulturministerium, welchem das Museum untersteht, lässt sich das Ganze offensichtlich etwas kosten. Wobei mir einer der Angestellten erklärte, das in naher Zukunft Eintritt verlangt werden würde. Ich sah bereits die Maschine mit dem Scanner, welcher den Code auf den Eintrittskarten ablesen wird. Ich durfte noch umsonst Manzús Kunst genießen und mich daran freuen. Abgesehen davon bemühten sich zwei der Angestellten darum, die Abfahrtszeit des Busses für die Rückfahrt nach Rom für mich heraus zu finden. Und einer meinte voller Mitleid: „Ich hoffe, Sie finden einen, mit dem Taxi würde es doch teuer“. Es gab einen Bus!

Dienstag, 15. Juli 2025

Genau hinschauen

Anlässlich eines ihm in Rom vor einem Monat verliehenen Preises hielt der deutsche Regisseur Wim Wenders eine Rede, in der er vor allem der Bedeutung von Wörtern auf den Grund zu gehen scheint. „Moving pictures“ – was steckt hinter bzw. in „moving“, was in „pictures”? Er greift dazu auf das Lateinische, woanders auch auf das Griechische zurück. Mir gefällt seine Rede ähnlich wie die beiden Filme, die ich von ihm kenne: „Papst Franziskus – ein Mann seines Wortes“ und „Perfect days“. Diesen Filmen gingen andere voraus, die sehr bekannt wurden. Genau hinsehen: was der Regisseur in seiner Rede tut, das zeichnet auch sein filmisches Schaffen aus. 

Zu unserem Fest am 1. Juli (Hochfest des Kostbaren Blutes Jesu Christi) hatten wir Gäste im Haus. Mit zweien davon stand ich in unserem Hauseingang vor einem Holzrelief, welches P. Emanuele vor zwei Jahren aus Tansania mitgebracht hat. Wir haben das Relief, eine Weihnachts- bzw. Krippenszene, „vorübergehend“ auf einen Ständer im Eingangsbereich gestellt und bisher blieb es dort stehen. P. Angelo sah sich das Relief an und entdeckte, dass Josef seine Hand auf die Schulter Marias legt und dass das Jesuskind in der Krippe offensichtlich an seinem Daumen lutscht. Ich muss zugeben, dass mir beides noch nicht aufgefallen war. Schließlich fragte Angelo auch, aus welchem Holz das Relief geschnitzt sei. Der zweite Gast, mit dem wir dort standen, war P. Chesco aus Tansania. Er konnte uns sagen, dass es sich um Holz vom Mninga-, bzw. Muninga-Baum handelt. Natürlich suchten wir im Internet ein Foto dieses afrikanischen Baumes. Genau hinschauen!

 Tatsächlich gefallen mir im Normalfall auch Predigten, die genau hinschauen, die ein Detail aufgreifen, evtl. einer Kleinigkeit nachspüren oder irgendwie „an der Oberfläche kratzen“ und dadurch etwas tiefer gehen.

Und wie wohltuend sind Menschen, denen der Schatten auf dem Gesicht eines anderen auffällt und die sich vorsichtig nachzufragen trauen. Genau hinschauen! 

Mit Sr. Bakhita war ich beim Einkaufen. Zwar dauerte es etwas, aber gleichzeitig freute ich mich darüber, wie sie das ein oder andere in die Hand nahm und sehr genau anschaute, evtl. auch noch einmal das Kleingedruckte auf der Rückseite des Produktes las. Und auf dem Heimweg sagte sie mir, wie schwierig es zurzeit (und bei diesen Temperaturen!) sei, einigermaßen frischen Salat zu finden. Genau hinschauen! 

Benötigen wir diese Fähigkeit nicht in unseren Tagen in besonderer Weise? Wenn „alternative Wahrheiten“ und „fake news“ verbreitet werden. Mich schmerzt etwa, wenn kurz nach dem Tod von Papst Franziskus angebliche Informationen dazu benutzt werden, ihm Dinge zu unterstellen. Genau hinschauen!