Mittwoch, 31. Juli 2024

Sr. Malwina

Ende Juli brachten wir sie zum Flughafen. Nach fünf Jahren in Rom kehrt Sr. Malwina in ihre Heimat zurück und wird Ende August in Reszel, im Norden Polens, ihren Dienst als Sakristanin beginnen. Außer unserem Alter, sie ist einen Monat älter als ich, verbindet uns die Schwerhörigkeit. Wobei ich den Eindruck hatte, trotz meiner Taubheit auf einem Ohr (nach einem Hörsturz vor vier Jahren) noch besser als sie zu hören.

Hier im Haus hat Sr. Malwina gekocht - und dies mit Können und Leidenschaft. Und ich habe sie nie klagen oder sich beschweren gehört, was mich mehr als beeindruckte. Denn ich empfinde das Kochen bei uns im Haus als durchaus herausfordernde Aufgabe. Das fängt damit an, dass Essen in Italien grundsätzlich ein sehr wichtiges Thema ist. Was sich an unserem italienischen Mitbruder sehr gut beobachten lässt. Dieser versucht gleichzeitig, durch eine gewisse Diät nicht zu viele Kilos zuzulegen. Dann ist da der Chilene, der eine andere Diät macht (KETO, ohne Kohlenhydrate), morgens Rührei mit Speck, mittags ein Steak. Vermutlich bin ich der Unkomplizierteste, der einfach „isst, was auf den Tisch kommt“. Da sind also außer den beiden Mitschwestern Sr. Malwinas drei Männer und jeder isst etwas anderes – schon ein wenig kompliziert, oder nicht?

Und hin und wieder sind Gäste da, Mitbrüder auf Besuch oder Bekannte, Freunde. Dann sitzen also ein oder zwei Leute mehr am Tisch. Und Sr. Malwina, die als gute Polin die Gastfreundschaft hochhält, möchte sich natürlich nichts nachsagen lassen.

Natürlich wiederholen sich im Lauf der Zeit manche Gerichte, aber immer wieder hat Sr. Malwina auch Neues ausprobiert. Da geht sie durchaus mit der Zeit und nutzt etwa verschiedene Youtube-Kanäle. Das Handy auf der Küchenzeile und los geht´s. Die Kreativität beim Kochen setzt sich dann beim Garnieren bzw. Servieren fort. Ich staunte immer wieder, wie schön sie die Speisen serviert hat.

Im Sommer begann regelmäßig der Kampf mit bzw. gegen die Ameisen, die unser Esszimmer bzw. die Speisekammer überfielen. Klar ging das Sr. Malwina auf die Nerven, aber doch nicht so, dass sie sich letztlich aus der Fassung bringen ließ.

17 Jahre ihres Lebens verbrachte Sr. Malwina in den USA, wo sie ebenfalls in der Küche arbeitete, bei Kapuzinern. Sie gab dort aber auch Kommunionunterricht für Kinder polnisch-stämmiger Familien. Eines ihrer ehemaligen Kommunionkinder, inzwischen eine Studentin Anfang 20, war neulich mit ihrer jüngeren Schwester hier bei uns zu Besuch.

In den USA hat Sr. Malwina den Führerschein gemacht, in Rom wagte sie sich allerdings nicht ans Steuer. Also haben entweder Juan oder ich sie beim wöchentlichen Großeinkauf begleitet. Konkret sah das so aus, dass sie mir einen Einkaufszettel in die Hand drückte und ich mich mit einem Einkaufswaagen auf den Weg machte, während sie mit einem zweiten Einkaufswagen startete. Wir trafen uns am Ende in der Obst- und Gemüseabteilung, wo sie das Gemüse und ich das Obst auswählte. Zwischendurch drückte sie mir auch irgendein Gemüse in die Hand und bat mich, es auf die Waage zu legen. Dabei kam es vor, dass sie mir die entsprechende Nummer, die bei der Waage einzugeben ist (z.B. 156 für Fenchel), quer durch die Abteilung zurief, was durchaus zu erstaunten Blicken bei anderen Kunden führte. (Und mir etwas peinlich war – sei’s drum!)

Vielleicht klingt das Beschriebene für die eine oder den anderen befremdlich. Und tatsächlich habe auch ich meine Zweifel am bestehenden System in unserem Haus. Genährt durch Interventionen von Papst Franziskus, der hin und wieder meinte, Ordensfrauen seien nicht in erster Linie dazu da, Kardinälen, Bischöfen oder Priestern den Haushalt zu führen. Stimmt! Wobei wir hier wohl tatsächlich auch wie eine „aussterbende Art“ sind.

Bei allen Bedenken bleibt die Bewunderung für Sr. Malwinas Dienst.

Und ich meine, auch um ihre Kraftquelle zu wissen. Ich sah sie nicht nur hier öfter in der Kapelle, auch zum privaten Gebet. Einmal, als ich in die Lateranbasilika kam, kniete sie dort vor mir in der Anbetungskapelle. Eine mit Gott verbundene Frau.

Montag, 15. Juli 2024

EURO 2024

Die Fußballeuropameisterschaft ist vorbei. Noch nie in meinem Leben habe ich so viele Spiele einer Europameisterschaft gesehen wie bei dieser. Was mich über mich selbst staunen und mich nachdenklich werden lässt. Warum war/ist das denn so?

Zum einen hat es sicher damit zu tun, dass es zu den ersten drei Spielen mit Beteiligung der deutschen Nationalmannschaft Einladungen zum gemeinsamen Schauen gab. Der sehr sympathische Botschafter der Bundesrepublik Deutschland beim Heiligen Stuhl ist Fußballfan. So gab es zum Eröffnungsspiel Deutschland – Schottland eine gemeinsame Einladung des deutschen und des schottischen Vatikan-Botschafters in die Residenz des deutschen Botschafters. Ich hatte den Eindruck, dass mehr Schotten als Deutsche gekommen waren. Beim Singen der Nationalhymnen – alle im Raum erhoben sich von ihren Plätzen – waren sie auf jeden Fall lauter. Natürlich war auch für Bewirtung gesorgt. Zugegebenermaßen freue ich mich bei verschiedenen Anlässen in der Deutschen Botschaft auf das Bier vom Fass, diesmal gab es dann auch noch schottischen Whisky. Einmal stand der schottische Botschafter während des Spiels auf und animierte lachend seine Landsleute, doch die eigene Mannschaft anzufeuern. Eine frohe, bisweilen fast ausgelassene Stimmung.

Zum zweiten Spiel hatten der deutsche und der ungarische Botschafter gemeinsam eingeladen und es gab unter anderem ein ungarisches süßes Gebäck. An einer Stelle des Spiels hatte ich mich wohl zu offensichtlich gefreut, so dass mich meine ungarische Nachbarn lächelnd ansprach: „wohl eine andere Migrationsgeschichte?“ Beide lachten wir.

Das dritte Spiel der deutschen Nationalmannschaft war schließlich noch einmal etwas Besonderes. Diesmal hatten der deutsche Botschafter gemeinsam mit dem Colonel der Schweizer Garde zum Schauen in die Kaserne der Schweizer Garde eingeladen. Vermutlich kamen allein wegen des Veranstaltungsortes noch mehr Leute. Im Innenhof der Kaserne der Garde waren eine Riesen-Leinwand und Bierzeltgarnituren aufgebaut und dieses (fast) „Public-Viewing“ an einem römischen Sommerabend war einfach schön. Ich freute mich auch an den Schweizer Gardisten: natürlich weiß ich, dass sie jung sind. Aber ohne ihre tolle Uniform, in ihren roten T-Shirts an diesem Abend, die eigene Mannschaft lautstark unterstützend, wirkten sie für mich fast wie Abiturienten bei irgendeiner Feier.

Da meine beiden Mitbrüder während dieser Zeit ausgeflogen waren, genoss ich es schlicht, mich mit anderen zum gemeinsamen Fußball-Schauen zu treffen. Und auch wenn einen ein beklemmendes Gefühl befallen kann, wenn in den Fernsehnachrichten Kriegsbilder und Fußballergebnisse nebeneinanderstehen, empfand ich die gemeinsamen Fußballabende irgendwie als völkerverbindend und damit im gewissen Sinn ja auch friedensfördernd. Trotz gewaltbereiter Fans, Hooligans – leider. Bei zwei der beschriebenen drei Abende sah ich übrigens auch den ukrainischen Botschafter beim Heiligen Stuhl als Gast. 

Auf jeden Fall war ich nach den ersten drei Spielen auf den Geschmack gekommen und schaute mir viele weiteren, auch ohne „deutsche Beteiligung“, dann zu Hause vor dem Bildschirm an, an einem Tag sogar zwei hintereinander. Wie gesagt: so kannte ich mich selbst bisher nicht. Aber jetzt ist es auch gut, dass es vorbei ist.

Juan als Chilene war verständlicherweise gedanklich mehr mit der „Copa América“ beschäftigt, die zeitgleich stattfand.